Auf vielen Jugendcamps sind die Bestimmungen des Sexualstrafrechts immer wieder Anlass zu Ärger zwischen Teilnehmern und Leitern. Die Aufsichtspflicht erfordert hier eine besondere Vorsicht des Gruppenleiters, weil es leicht zu Aufsichtspflichtverletzungen kommen kann. Verstöße gegen das Sexualstrafrecht können sowohl zivilrechtlich (Schadensersatz) als auch strafrechtlich verfolgt werden. Die wichtigsten Regelungen werden im Folgenden kurz dargestellt. Das Sexualstrafrecht will Kindern und Jugendlichen eine von vorzeitigen und gefährlichen sexuellen Erlebnissen ungestörte Entwicklung und Reifung ermöglichen. Hierzu setzt es Grenzen in der sexuellen Beziehung von Kindern und Jugendlichen untereinander und in dem Verhältnis von Minderjährigen und Erwachsenen.

Sexueller Missbrauch von Kindern

Minderjährige unter 14 Jahren stehen nach § 176 StGB unter dem absoluten Schutz des Gesetzes. Keine Person über 14 Jahre darf sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren vornehmen oder an sich von dem Kind vornehmen lassen. Sie darf auch keine sexuellen Handlungen vor dem Kind vornehmen oder das Kind dazu bringen, solche an sich selbst vorzunehmen. Auch pornografische Medien wie Fotos, Magazine und Filme dürfen ihnen nicht vorgezeigt oder zugänglich gemacht werden. Für Kindergruppenleiter sind die Regeln also eindeutig festgelegt und einfach zu befolgen.

Sexueller Missbrauch von Jugendlichen

Für Gruppenleiter, die Jugendliche über 14 Jahre betreuen, gelten differenziertere Regeln. Sie müssen zuerst einmal die allgemeinen Gesetze zum sexuellen Missbrauch von Jugendlichen nach § 182 StGB beachten. Hier werden zwei Altersstufen unterschieden:

  1. Wer älter als 18 Jahre ist, darf keine sexuellen Kontakte mit einer Person unter 16 Jahren eingehen oder sie dazu bringen, solche Kontakte mit einem Dritten aufzunehmen. Dies gilt aber nur, wenn das sexuelle Verhältnis unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt zustande kommt.
  2. Für Personen über 21 Jahre wird dieser Grundsatz dahingehend verschärft, dass sie sich schon dann strafbar machen, wenn sie die fehlende Fähigkeit von unter 16-Jährigen zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzen. Nimmt ein 19-Jähriger also z. B. eine sexuelle Beziehung zu einer 14-Jährigen auf und handelt es sich dabei um eine echte Liebesbeziehung, dann verstößt er nicht gegen das Gesetz. Dies gilt auch für eine Person über 21 Jahre, wenn z. B. die Initiative von dem Jugendlichen ausgeht.

Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen

Da der Leiter einer Jugendgruppe während der Ausübung der Aufsichtspflicht in einem Betreuungsverhältnis zu den Jugendlichen steht, gelten für ihn schärfere Bestimmungen. Für ihn sieht der § 174 StGB vor, dass keine Person sexuellen Kontakt mit Minderjährigen unter 16 Jahren aufnehmen darf, die ihr zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut sind. Sie darf auch keine sexuellen Handlungen vor ihnen vornehmen oder von ihnen vor sich vornehmen lassen. Bei Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren darf sie dies alles ebenfalls nicht, wenn sie dabei die mit dem Betreuungsverhältnis verbundene Abhängigkeit ausnutzt. Es ist allerdings nicht strafbar, wenn ein Gruppenleiter seine erwachsene Freundin vor den Augen eines Schutzbefohlenen intensiv küsst. Im Gesetz spielt die “Erheblichkeitsschwelle” sexueller Handlungen eine große Rolle. Umarmungen und harmlose Streicheleien sind auch nicht verboten.

Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger

Mit dem Gesetz über die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180 StGB) kann es für Gruppenleiter zu einigen Fallstricken kommen. Es ist nämlich verboten, sexuelle Kontakte von Jugendlichen unter 16 Jahren mit anderen Personen durch Vermittlung bzw. Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit zu fördern. Wenn ein Erziehungs-, Ausbildungs- oder Betreuungsverhältnis in der Lebensführung besteht, ist das Schutzalter im Falle des Missbrauchs dieser Beziehung auf 18 Jahre heraufgesetzt. Ein solches Betreuungsverhältnis ist auf Zeltlagern und Ferienfreizeiten stets gegeben. Das Gesetz bezieht sich nur auf die Förderung von sexuellen Handlungen und gilt auch dann, wenn es zur sexuellen Handlung gar nicht kommt. Zärtlichkeiten wie Küsse, Streicheln und flüchtige Berührungen gelten nicht als sexuelle Handlungen. Neben dem aktiven Fördern ist auch das Wegschauen und Unterlassen von Gegenmaßnahmen strafbar.

Für die Praxis heißt das, dass es völlig unerheblich ist, ob zwei Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren außerhalb der Gruppe oder Ferienfreizeit ein Pärchen sind oder ob die Eltern die Freundschaft erlauben oder nicht – der Gruppenleiter muss bei der Übernahme der Aufsichtspflicht sexuelle Kontakte zwischen ihnen generell verhindern. So ist die Organisation einer Party nicht strafbar, wohl aber die Bereitstellung oder das Zulassen eines “Pärchenraumes”.

Zivilrechtlich muss man als Gruppenleiter allerdings beachten, dass die übernommene Aufsichtspflicht auch bei Einhaltung des Strafrechts verletzt werden kann. Da das Alter der Jugendlichen allein keinen hinreichenden Rückschluss auf die sexuelle Vernunft und Verantwortung zulässt, kann der Leiter z. B. dann auf Schadensersatz verklagt werden, wenn ein sexuell erfahrener Jugendlicher einen Unerfahrenen “überrumpelt”. In diesem Fall muss man den Schwächeren stets vor Schäden schützen – auch wenn er über 16 Jahre alt ist!

In der Praxis sollten Jungen und Mädchen unter 16 Jahren immer in getrennten Schlafräumen untergebracht werden. Geht das nicht, so sollte ein Betreuer mit im Raum übernachten. Besondere Vorsicht ist auch bei Unternehmungen wie Nacktbaden und Saunabesuch und bei allen Aktivitäten angesagt, bei denen die Jugendlichen eventuell ihre Sexualität offenbaren müssen. Hier gilt auf jeden Fall: Nie ohne die ausdrückliche Erlaubnis der Eltern!