Neben dem Zivilrecht gibt es noch das Strafrecht. Hat der Betreuer ein besonderes Rechtsgut der Kinder und Jugendlichen – wie z. B. Leben und Gesundheit – selbst oder durch mangelhafte Aufsichtspflicht verletzt, kann er auch strafrechtlich belangt werden. In diesem Fall wird ein Staatsanwalt tätig und klagt den Gruppenleiter an. Ein solcher Prozess wird immer unabhängig vom Zivilverfahren um den Schadensersatz geführt. Im Strafrecht kann auch kein Verein für den Leiter die Haftung übernehmen, die Beweislast liegt generell beim Ankläger. Der Gruppenleiter muss aber keine Angst haben, ständig „mit einem Bein im Gefängnis“ zu stehen. Für Straftaten, die ein Mitglied der Gruppe begeht, kann der Gruppenleiter strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden. Die Betreuer haben also vor allem dafür zu sorgen, dass die Kinder und Jugendlichen, für die sie die Aufsichtspflicht übernommen haben, nicht geschädigt werden. Da der Gruppenleiter die Kinder wohl nicht aktiv schädigen will, sind meist nur Fahrlässigkeitsdelikte von strafrechtlicher Bedeutung.
Fahrlässigkeitsdelikte
Eine Handlung wird dann als fahrlässig bezeichnet, wenn die Sorgfalt außer Acht gelassen wurde, die ein "durchschnittlicher” Gruppenleiter hätte walten lassen müssen, um einen Schaden zu verhindern. Die Sorglosigkeit führt dazu, dass das schädigende Ereignis nicht vorausgesehen wurde oder dass man darauf vertraut hat, dass es schon nicht eintreten werde. Ein Betreuer, der die nötige Sorgfalt vermissen lässt, kann im Schadensfall wegen fahrlässigen Handelns strafrechtlich verfolgt werden.
Für die Aufsichtspflicht sind die fahrlässige Tötung nach § 222 StGB und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB bedeutsam. Eine Körperverletzung liegt bei Misshandlung oder Gesundheitsbeschädigung vor. Lässt der Betreuer z. B. eine Schlägerei in der Gruppe zu und wird ein Kind dabei verletzt, so kann er wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt werden. Gerichtlich werden z. B. auch Hinaussperren in die Kälte oder das Herbeiführen eines Vollrausches als Körperverletzung angesehen. Eine Körperverletzung wird vom Staatsanwalt nur auf Antrag der Eltern verfolgt. Darüber hinaus besteht für den Gruppenleiter auch eine erhöhte Verpflichtung zum Handeln in Notsituationen. Er muss im Schadensfall alles für den Schutz und die Rettung der ihm anvertrauten Teilnehmer tun, was verhältnismäßig und für ihn zumutbar ist. Ein Unterlassen dieser Hilfeleistungen ist ebenfalls strafbar.
Ärztlicher Heileingriff
Auch ein ärztlicher Heileingriff wird als Körperverletzung angesehen. Er ist aber dann nicht rechtswidrig, wenn der Patient nach § 228 StGB einwilligt oder nach § 34 StGB eine akute Lebensgefahr bzw. eine schwere körperliche Schädigung droht. Schon das Verabreichen einer Kopfschmerztablette ist ohne Einwilligung der Person eine Körperverletzung. Die Zustimmung eines Minderjährigen ist nur dann rechtlich wirksam, wenn er in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs ganz zu erfassen. Bei Kindern bis 14 Jahren ist davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist und dass der Erziehungsberechtigte mit allen ärztlichen Heileingriffen einverstanden sein muss. Deshalb ist es für den Gruppenleiter wichtig, bei Ferienfreizeiten und Fahrten eine schriftliche elterliche Einverständniserklärung für einen Arztbesuch zu erhalten. Man sollte sie sich aber auch für Jugendliche ab 14 Jahren geben lassen. Bei einem notwendigen Arztbesuch sollten die Eltern natürlich auch so schnell wie möglich benachrichtigt werden.
Unter einen ärztlichen Heileingriff fällt auch die Vergabe von Medikamenten, die verschreibungs- und apothekenpflichtig sind. Aber auch andere ärztliche Eingriffe, wie z.B. die Wundbehandlung mit Desinfektionsmitteln, sind strafrechtlich für den Laien nicht zulässig. Wer sich dennoch darauf einlässt, tut dies auf eigenes Risiko. Rechtlich erlaubt ist es dagegen, dass der Gruppenleiter von den Eltern mitgegebene und von ihrem Kind einzunehmende Medikamente sicher aufbewahrt. Der Betreuer ist hierbei nur der “verlängerte Arm” der Erziehungsberechtigten.
In einer Notlage mit Risiken für Leib und Leben eines anderen darf auch ein Laie im Rahmen der Ersten Hilfe ärztliche Eingriffe tätigen. Er wird dabei auch dann nicht bestraft, wenn sich seine Maßnahmen später als falsch erweisen. Nach § 323c StGB hat jeder Bürger sogar die Pflicht zur Hilfe in solchen Notsituationen.