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Hat man die Aufsichtspflicht von den Eltern übernommen, so muss man die Minderjährigen vor Schäden jeglicher Art bewahren und sie daran hindern, anderen Schäden zuzufügen. Es gilt, vorhersehbare Gefahren vorausschauend zu erkennen und situationsgerecht darauf zu reagieren. Ein Schaden kann körperlicher, gesundheitlicher, sittlicher, geistiger oder seelischer Art sein. Hinzu kommen noch die Sach- und Vermögensschäden.
Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht richten sich dabei danach, was die einzelne Situation, die persönlichen Eigenheiten des Kindes und die Zumutbarkeit für den entsprechenden Gruppenleiter erfordern. Es gibt also keine allgemeinen gesetzlichen Regeln, was “man” in einer bestimmten Situation zu tun hat. Die Frage muss immer lauten, ob dieser Leiter dieses Kind in dieser Situation genügend beaufsichtigt hat oder nicht. Die drei Faktoren Kind, Betreuer und Situation sind also in jedem Einzelfall neu zu gewichten und zu bewerten, um der Aufsichtspflicht gerecht zu werden.
Dabei muss beachtet werden, dass der Betreuer stets in einem Spannungsfeld steht: Einerseits soll er die Kinder und Jugendlichen zur Selbstständigkeit führen und ihnen Möglichkeiten bieten, mit Gefahren umgehen zu lernen – dies kann auch durchaus mal zu negativen Erfahrungen der Minderjährigen führen. Andererseits muss er immer den Sicherheitsaspekt beachten.

Gerichtsurteile zur Aufsichtspflicht

Es liegt stets in der Hand der Gerichte, zu entscheiden, ob im konkreten Einzelfall eine Aufsichtspflichtverletzung vorliegt oder nicht. Deshalb sind Gerichtsurteile für den Alltag des Gruppenleiters von großer Bedeutung. Hier fünf typische Urteile:

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+ Auswahl von Betreuern: Gemeinnützige Organisationen, die Ferienaufenthalte veranstalten, z. B. Jugendverbände, genügen den Anforderungen, wenn sie sich der ehrenamtlichen Hilfe von pädagogisch ungeschulten, aber verantwortungsbewussten und im Umgang mit Kindern erfahrenen Erwachsenen bedienen (OLG Hamburg, VersR 1973, S. 828).

+ Kind springt vom Gehweg auf die Straße: Keine Verletzung der Aufsichtspflicht bei Verkehrsunfall durch Kleinkind, denn spontane Reaktion des Kindes kann nicht verhindert werden. Für den Unfall seien die Eltern und der Opa des 5-jährigen (schuldunfähigen) Kindes nicht verantwortlich. Sie hätten nicht gegen die Aufsichtspflicht verstoßen. Vater, Mutter und sogar die Großeltern hätten mit der Kleinen das angemessene Verhalten im Straßenverkehr als Fußgänger eingehend geübt. Auch hätten die beklagten Eltern ihre Tochter dem rüstigen Opa anvertrauen dürfen. Denn die Aufsichtspflicht könne auf zuverlässige und gewissenhafte Personen übertragen werden. Ursache des Unglücks sei die spontane Reaktion des Mädchens gewesen. Diese habe der Großpapa weder vorhersehen noch verhindern können (OLG Bamberg, 23.01.2007, - 5 U 227/06 –).

+ Die Aufsicht ausüben: Ein knapp 9-jähriges, normal entwickeltes Kind, das im Freien spielt, muss sich nicht im unmittelbaren Aufsichtsbereich aufhalten, der ein jederzeitiges Eingreifen des Aufsichtspflichtigen ermöglicht. Vielmehr ist der Aufsichtspflicht Genüge getan, wenn sich der Aufsichtspflichtige über das Tun und Treiben in groben Zügen einen Überblick verschafft (BGH in NJW 1984, S. 2574).

 + Umgang mit Gefahren: Nicht unbedingt das Fernhalten von jedem Gegenstand, der bei unsachgemäßem Umgang gefährlich werden kann, sondern gerade die Erziehung des Kindes zu verantwortungsbewusstem Hantieren mit einem solchen Gegenstand wird oft der bessere Weg sein, um Dritte vor Schäden zu bewahren. Hinzu kommt die Notwendigkeit frühzeitiger praktischer Schulung des Kindes, das seinen Erfahrungsbereich möglichst ausschöpfen soll (BGH, NJW 1976, S. 1684).

+ Gartenhaus abgebrannt durch "zündelnden" Elfjährigen: Klage auf Schadensersatz abgewiesen, da keine unbegrenzte Aufsichtspflicht der Eltern für ihre Kinder besteht. Eltern müssen ihren elfjährigen Sohn nicht dauernd beaufsichtigen. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein elfjähriger Junge mit einem gleichaltrigen Kameraden gezündelt. Dabei brannte ein Gartenhaus vollständig ab. Der Eigentümer verklagte die Eltern des Elfjährigen auf Schadensersatz. Die Richter führten aus, dass Eltern nicht verpflichtet seien, einen Elfjährigen ständig zu beobachten. Dies gelte insbesondere in ländlichen Regionen, wo es durchaus üblich sei, dass Kinder über längere Zeit unbeaufsichtigt spielten. In diesen Gegenden müssten Eltern ihre Kinder nicht ständig beaufsichtigen. Dies gelte zumindest dann, wenn wie hier im Fall, der Elfjährige vorher nie durch Zündeln oder andere Sachbeschädigungen aufgefallen sei (OLG Zweibrücken, 28.09.2006, - 4 U 137/05 -).

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