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Gruppenleiter sollten stets im Hinterkopf behalten, dass für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht Belehrungen allein nicht ausreichen, sondern Gefahrenquellen beseitigt oder abgesichert werden müssen!

4 - Dauernd überwachen

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Der Betreuer hat “ständig” Augen und Ohren offen zu halten und in seiner Aufsichtsführung nachzuprüfen, ob die Belehrungen und Verbote auch eingehalten werden. Er muss die Teilnehmer zwar nicht dauernd sehen, aber immer wissen, wo sie sich aufhalten und was sie gerade tun. Hierüber muss er sich in regelmäßigen Abständen Klarheit verschaffen. Bei verordneter Nachtruhe ist z.B. der stichprobenartige Kontrollgang eine notwendige Maßnahme. Je besser man die Gruppe kennt und einschätzen kann, desto klarer weiß man, wie intensiv die Aufsicht sein muss.

5 - Notfalls eingreifen

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Wenn die Belehrungen und Verbote nicht fruchten, muss der Gruppenleiter schon frühzeitig Konsequenzen ziehen, mit den Betroffenen ein Gespräch führen und Verwarnungen aussprechen. Sein Verhalten hat sich ganz nach der Schwere des Verstoßes und den eventuell damit verbundenen Gefahren zu richten. Nutzen auch die Verwarnungen nichts, muss er Strafen androhen und bei fortgesetztem Regelverstoß anwenden. Eine Bestrafung muss zeitnah, nachvollziehbar, gerecht und verhältnismäßig sein.

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 Nicht erlaubt sind jede Art körperlicher Gewalt, Strafgelder, bloßstellende und erniedrigende Strafen, einsperren und kollektive Bestrafung.

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Möglich sind „Time out“ für den Teilnehmer für eine bestimmte Aktion oder auf „das Zimmer schicken“, Wegnahme eines gefährlichen Gegenstandes, Verlagerung in ein anderes Zelt, Information der Eltern und zusätzliche Aufgaben. Das letzte wirksame Mittel ist der zeitliche oder endgültige Ausschluss aus einer Gruppe oder von einer Freizeit. Aber Vorsicht: Auch hier endet die Aufsichtspflicht erst, wenn der Aufsichtspflicht-Vertrag mit den Eltern entsprechend geändert wird und die Eltern den Minderjährigen abholen oder erlauben, ihn alleine oder in Begleitung nach Hause zu schicken.

Eine Gruppenleitung, die sich an diesem Schema orientiert und so im Einzelfall anwendet, kann sich eigentlich nichts zu Schulden kommen lassen. Die Aufsichtspflicht übernehmen heißt nicht, unter allen Umständen jeden Schaden vermeiden zu müssen, sondern, nach bestem Wissen und Gewissen alles zu tun, um einen möglichen Schaden abzuwenden. Es gibt nie nur eine einzige “richtige Entscheidung”, der Gruppenleiter hat immer einen gewissen Ermessens-Spielraum, in dem er handeln darf und muss.2.3.

Aufsichtspflicht im Team

 

Wird die Aufsichtspflicht von einem Betreuer-Team übernommen, sollten alle an einem Strang ziehen. Es ist in jedem Fall sicherzustellen, dass alle Gruppenleiter sich über die Regeln einig sind und diese in gleicherweise überwachen und bei Übertretungen die gleichen Konsequenzen folgen lassen. Innerhalb des Team muss immer klar abgesprochen werden, welcher Betreuer welche Aktivität beaufsichtigt. Bei Aufsichtspflicht-Verletzungen sind immer diejenigen Leiter verantwortlich, die daran beteiligt waren. Jeder Betreuer ist nur für eigenständige verantwortlich. Die Aufteilung der Verantwortungs-Bereiche im Team ist wichtig, weil sonst im Zweifelsfall alle Gruppenleiter die Folgen des falschen Verhaltens eines Betreuers tragen müssen. Jeder Betreuer ist ungeachtet seines Alters, seiner Erfahrung und seiner Stellung im Team voll für die Erfüllung der Aufsichtspflicht verantwortlich. Damit die Aufsichtspflicht im Team funktioniert, sollten sich die Gruppenleiter regelmäßig treffen und absprechen.

Tip

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Trefft euch mit dem Betreuer-Team auch mal ohne Kinder und gönnt euch was. Ein entspanntes zusammensitzen bei einem leckeren Eisbecher stärkt den Zusammenhalt und motiviert.

Einzelfälle zur Aufsichtspflicht

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Als Betreuer kann man das Risiko, die Aufsichtspflicht zu verletzen, grundsätzlich erst einmal dadurch vermeiden, dass man sich an gesetzliche Bestimmungen und Regeln hält. Man sollte also z.B. die Straßenverkehrsordnung, die Baderegeln oder Verordnungen über Zelten, Rauchen und Feuer im Wald kennen. Es gibt aber typische Gruppensituationen, bei denen das richtige Verhalten nicht so klar auf der Hand liegt. Wie man hier vorgehen sollte, zeigen die folgenden drei Fallbeispiele.

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+ Wenn der Gruppenleiter vermutet, dass Kinder und Jugendliche unerlaubt Zigaretten, Alkohol, verbotene bzw. gefährliche Gegenstände oder in der Gruppe gestohlene Sachen in ihren Taschen oder im Zimmer verstecken, darf er auch Gepäck- und Raumkontrollen durchführen. Er muss sich aber immer klar sein, dass solche Durchsuchungen das Vertrauen zwischen Betreuer und Gruppenmitglied auf eine harte Probe stellen. Besser ist es daher, den Kinder und Jugendlichen zuerst die folgenlose und eventuell anonyme Abgabe solcher Dinge beim Gruppenleiter zu ermöglichen. Bei Gefahr im Verzug muss man allerdings sofort handeln.2.5.

Gerichtsurteile zur Aufsichtspflicht

Es liegt stets in der Hand der Gerichte, zu entscheiden, ob im konkreten Einzelfall eine Aufsichtspflicht-Verletzung vorliegt oder nicht. Deshalb sind Gerichtsurteile für den Alltag des Gruppenleiters von großer Bedeutung. Hier fünf typische Urteile:

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+ Auswahl von Betreuern: Gemeinnützige Organisationen, die Ferienaufenthalte veranstalten, z.B. Jugendverbände, genügen den Anforderungen, wenn sie sich der ehrenamtlichen Hilfe von pädagogisch ungeschulten, aber verantwortungsbewussten und im Umgang mit Kindern erfahrenen Erwachsenen bedienen (OLG Hamburg, VersR 1973, S. 828).

+ Kind springt vom Gehweg auf die Straße

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: Keine Verletzung der Aufsichtspflicht bei Verkehrsunfall durch Kleinkind, denn Spontane Reaktion des Kindes kann nicht verhindert werden

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. Für den Unfall seien die Eltern und der Opa des 5-jährigen (schuldunfähigen) Kindes nicht verantwortlich. Sie hätten nicht gegen die Aufsichtspflicht verstoßen. Vater, Mutter und sogar die Großeltern hätten mit der Kleinen das angemessene Verhalten im Straßenverkehr als Fußgänger eingehend geübt. Auch hätten die beklagten Eltern ihre Tochter dem rüstigen Opa anvertrauen dürfen. Denn die Aufsichtspflicht könne auf zuverlässige und gewissenhafte Personen übertragen werden. Ursache des Unglücks sei die spontane Reaktion des Mädchens gewesen. Diese habe der Großpapa weder vorhersehen, noch verhindern können (OLG Bamberg, 23.01.2007, - 5 U 227/06 –).

+ Die Aufsicht ausüben: Ein knapp 9-jähriges, normal entwickeltes Kind, das im Freien spielt, muss sich nicht im unmittelbaren Aufsichtsbereich aufhalten, der ein jederzeitiges Eingreifen des Aufsichtspflichtigen ermöglicht. Vielmehr ist der Aufsichtspflicht Genüge getan, wenn sich der Aufsichtspflichtige über das Tun und Treiben in groben Zügen einen Überblick verschafft (BGH in NJW 1984, S. 2574).

 + Umgang mit Gefahren: Nicht unbedingt das Fernhalten von jedem Gegenstand, der bei unsachgemäßem Umgang gefährlich werden kann, sondern gerade die Erziehung des Kindes zu verantwortungsbewusstem Hantieren mit einem solchen Gegenstand wird oft der bessere Weg sein, das und Dritte vor Schäden zu bewahren. Hinzu kommt die Notwendigkeit frühzeitiger praktischer Schulung des Kindes, das seinen Erfahrungsbereich möglichst ausschöpfen soll (BGH, NJW 1976, S. 1684).

 

+ Gartenhaus abgebrannt durch "zündelnden" Elfjährigen

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: Klage auf Schadensersatz abgewiesen, da keine unbegrenzte Aufsichtspflicht der Eltern für ihre Kinder besteht

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. Eltern müssen ihren elfjährigen Sohn nicht dauernd beaufsichtigen. Teilen Sie unser Wissen:Im zugrunde liegenden Fall hatte ein elfjähriger Junge mit einem gleichaltrigen Kameraden gezündelt. Dabei brannte ein Gartenhaus vollständig ab. Der Eigentümer verklagte die Eltern des Elfjährigen auf Schadensersatz. Die Richter führten aus, dass Eltern nicht verpflichtet seien, einen Elfjährigen ständig zu beobachten. Dies gelte insbesondere in ländlichen Regionen, wo es durchaus üblich sei, dass Kinder über längere Zeit unbeaufsichtigt spielten. In diesen Gegenden müssten Eltern ihre Kinder nicht ständig beaufsichtigen. Dies gelte zumindest dann, wenn wie hier im Fall, der Elfjährige vorher nie durch Zündeln oder andere Sachbeschädigungen aufgefallen sei (OLG Zweibrücken, 28.09.2006, - 4 U 137/05 -).

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