Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und kann überall, in Familien, Schulen, Verbänden etc. vorkommen. In den letzten Jahren sind viele Kindernamen durch die Presse gegangen, weil sie Opfer von sexualisierter oder häuslicher Gewalt wurden. Der Gesetzgeber hat auf diese Vorgänge u. a. mit umfassenden gesetzlichen Änderungen am Bundeskindesschutzgesetz reagiert, das seit 2012 neu in Kraft ist. Anliegen des Gesetzes ist es, Kinder zu schützen. Ursprünglich liegt dieser Schutzauftrag beim Staat, wird aber mittels Gesetz auf mehrere Schultern verteilt, u. a. auch auf Jugendverbände wie die NAJU. Es geht noch mehr darum, eine Gefährdung des Kindeswohls (auch von außen – also Personen, die nicht den Familien angehören) zu erkennen.
Kindeswohlgefährdung ist ein weitgefasster Begriff. Darunter versteht man unter anderem:
- körperliche Vernachlässigung
- Vernachlässigung der Aufsichtspflicht
- seelische Misshandlung
- häusliche Gewalt
- und sexuelle Gewalt/sexueller Missbrauch
Gerade auf mehrtägigen Ferienfreizeiten zeigt sich häufig das gesamte Ausmaß von Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsstörungen, die vorher (z. B. bei Gruppenstundentreffen) nicht auffielen. Dort besteht meist mehr Freiraum, in dem ein besonderes Verhalten auffällt, oder es gibt erstmalig ein gemeinsames Umziehen oder Duschen, sodass Misshandlungen sichtbar werden können. Also, bei Verdachtsmomenten nicht wegsehen, sondern im Interesse des Kindes bei anderen Gruppenleitern, hauptamtlichen NAJU-Mitarbeitern, verbandsinterne Vertrauensperson oder Fachpersonal in Beratungsstellen Hilfe und Rat einholen.
Aus Gründen der Prävention wird sich auf den folgenden Seiten mit der Kindeswohlgefährdung, sexualisierter Gewalt/sexueller Missbrauch tiefergehender befasst.
Kind/Jugendlicher erzählt von sexuellen Übergriffen - was tun?
Die folgenden Hinweise können als Handlungsmöglichkeiten in dieser Gesprächssituation dienen.
- Ruhe bewahren! Nicht voreilig und unbedacht handeln.
- Glaube der/dem Betroffenen und nimm ihre/seine Äußerungen ernst.
- Versprich nichts, was du anschließend nicht halten kannst (z. B. solltest du nicht versprechen, dass du niemandem von dem Gespräch erzählst).
- Versichere der/dem Betroffenen, dass sie/er an dem Geschehen keine Schuld hat und dass es richtig war, sich mitzuteilen.
- Biete an, dass er/sie jederzeit wieder zum Gespräch kommen kann. Akzeptiere, wenn dies abgelehnt wird.
- Versuche nicht, das Erzählte herunterzuspielen oder aufzubauschen. Höre einfach zu und versuche zu verstehen, ohne zu werten.
Krisenintervention
Folgendes ist nach dem Gespräch hilfreich:
- Behandle das Gespräch vertraulich. Erzähle nur denjenigen davon, bei denen es wichtig ist.
- Fälle keine Entscheidungen über den Kopf der/des Betroffenen hinweg. Stimme das weitere Vorgehen mit der/dem Betroffenen ab.
- Protokolliere Aussagen und Situationen des Gesprächs. Vermeide dabei eigene Interpretationen.
- Berichte der erwachsenen Vertrauensperson innerhalb deines Verbandes (vertrauensperson@lbv.de) oder einer Beratungsstelle zum Thema „sexuelle Gewalt“ (Beratungsstellen-Liste mit Sprechzeiten - siehe folgende Seite).
- Stelle sicher, dass sich die/der Betroffene nicht ausgrenzt oder bestraft fühlt.
- Erkenne und akzeptiere deine eigenen Grenzen und Möglichkeiten.
Verhalten bei vermuteter Täterschaft
Wenn du die Vermutung hast, dass ein Mitglied eures Teams eine Grenzverletzung begeht oder sexuelle Gewalt gegenüber den zu betreuenden Kindern oder Jugendlichen ausübt, beachte bitte folgende Schritte:
- Ruhe bewahren!
- Analyse: Woher kommt die Vermutung?
- Beobachtungen dokumentieren
- Auf keinen Fall versuchen, den Verdächtigen zur Rede zu stellen.
- Bespreche das weitere Vorgehen mit deinem Verbands- bzw. Jugendbildungsreferenten oder der Fachberatungsstelle „Wirbelwind Ingolstadt e. V.“, mit der die NAJU beim Thema „Sexualisierte Gewalt“ zusammenarbeitet.
Einige Passagen zum Thema „Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ wurden mit freundlicher Genehmigung aus der Broschüre „Kinder schützen“ des BDKJ und der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NW e. V. sowie der gleichnamigen Broschüre der BDKJ im Bistum Speyer übernommen.
Erzählt ein/e Minderjährige/r von sexuellen Übergriffen, ist es zunächst wichtig zuzuhören. Du musst keine Lösung oder einen Ausweg wissen. Es ist auch nicht deine Aufgabe, die Betroffenen zu therapieren oder Ermittlungen anzustellen. In einem Verdachtsmoment auf sexuellen Missbrauch gilt es Ruhe zu bewahren und fachkundigen Rat zu Hilfe zu nehmen. Auf der folgenden Seite findest du Kontakte zu Spezialberatungsstellen, die schnelle und kompetente Beratung anbieten.