Ein Kind in deiner Gruppe will immer sagen, wo's langgeht? Ein anderes macht ständig Blödsinn und bringt alle anderen zum Lachen? Einer hat bei fast jeder Gruppenstunde etwas am Programm auszusetzen? Ein anderer ist meist schnell zur Stelle, wenn es einen Streit zu schlichten gibt? Diese Kinder haben ganz bestimmte, typische Rollen in der Gruppe. Solches „Rollenverhalten“ ist normal und taucht in fast allen Gruppen auf, seien es Kinder, Jugendliche oder Erwachsene.
Merkmale einer Gruppe – Was ist eigentlich eine „Gruppe“?
- Eine Gruppe hat gemeinsame Aufgaben & Ziele und einen zeitlichen Bestand.
- Es gibt eine Gruppenidentität: ein „WIR“-Gefühl.
- Die Gruppengröße ist begrenzt (optimale Kommunikation bei 8-12 Personen).
Bestimmte Verhaltensregeln existieren innerhalb der Gruppe.
- Und es gibt eine Rollenverteilung.
Wie entstehen Gruppen?
Formale Gruppen: Die Aufgabe und Leitung der Gruppe werden festgelegt, meist von außen (z. B. Schulklassen, Seminargruppen).
Informelle Gruppen: Die Aufgabe der Gruppe und evtl. auch die Leitung entwickeln sich aus der Gruppe heraus (z. B. Cliquen, Bürgerinitiativen).
NAJU-Gruppen können beides sein: Kindergruppen werden meist von Erwachsenen gegründet und geleitet. Jugendgruppen werden manchmal von den Jugendlichen selbst gegründet und dann auch geleitet.
Entstehung von Rollen
Wenn sich Menschen begegnen, haben sie vom ersten Moment an vage oder konkrete Vorstellungen davon, wie sich der oder die andere verhalten wird. Umgekehrt versuchen Menschen, die an sie gerichteten Rollenerwartungen zu erfüllen. Dieses Verhalten verstärkt wiederum die Erwartungen der Gruppe an die Person. Die Gruppe akzeptiert dann die Person nur noch in dieser Rolle. Jede Person verhält sich in einer Gruppe in einer für sie typischen Art und Weise. Dieses Verhalten hängt von zwei Faktoren ab:
vom Charakter der Person, geprägt von Eigenschaften, Fähigkeiten & Erfahrungen durch das Elternhaus (Rollenerwartung in der Familie durch Eltern & Geschwister)
- von der Gruppe mit den auf die Person gerichteten Rollenerwartungen
Die soziale Rolle eines Menschen ist aber nicht für immer festgelegt, sondern kann sich mit der Zeit ändern. In unterschiedlichen Gruppen nehmen Menschen oft unterschiedliche Rollen ein.
Kleiner "Forscherauftrag" an die Gruppenleitung:
Beobachte doch mal die Kinder oder Jugendlichen deiner Gruppe. Wer hat welche Rolle in der Gruppe? Wenn du weißt, wer welche Rolle einnimmt, verstehst du das Verhalten der Teilnehmer eher und kannst Konflikte in der Gruppe besser lösen. Außerdem ist es wichtig, den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, aus den Rollen auszubrechen, damit diese sich nicht zu stark verfestigen. Nur so findet eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit statt. Wie das gehen kann, erfährst du auf den folgenden Seiten.
Unterschiedliche Rollen in der Gruppe
Es gibt verschiedene „Hauptrollen“: Meinungsmacher (Chef), Clown, Außenseiter, Nörgler, Vermittler, Sündenbock (Schwarzes Schaf) sowie zahlreiche „Nebenrollen“: Mitläufer, Besserwisser (Alleswisser), Redseliger, Optimist, Schüchterner, Ablehnender, Uninteressierter, Ausfrager und weitere. Die Hauptrollen finden sich in den meisten Gruppen, wahrscheinlich auch in deiner Kinder- oder Jugendgruppe:
Meinungsmacher (Chef):
Neben dir als Leiter fühlt sich diese Person als Chef oder Chefin. Wenn du nicht da bist, bestimmt er, was gemacht wird. Er sieht sich in der Gruppe als dein Stellvertreter. Der Meinungsmacher lebt von seinen „Gefolgsleuten“, will immer seinen Willen und sucht Wege, diesen durchzusetzen. Dabei organisiert er auch die Gruppe und kann dir Arbeit, aber auch die Leitung abnehmen.
Umgang: Er muss lernen, dass er die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen Gruppenmitglieder hat. Er darf niemanden rumkommandieren. Zeige Grenzen auf und unterliege nicht der Versuchung, ihn leiten zu lassen und dich damit zu entlasten. Trage ihm bewusst Aufgaben zusammen mit anderen Gruppenmitgliedern auf. Wenn notwendig, kannst du ihm im Einzelgespräch klar machen, dass er nicht die Verantwortung trägt.
Clown:
Ein Clown versucht, sich durch Späße und Witze beliebt zu machen. Seine Späße heben oft die Stimmung, können aber auch nerven. Der Clown wandelt auf einem schmalen Grat. Er kann sehr angesehen sein oder auch nur albern und nervig. Im zweiten Fall steckt dann oft die Angst dahinter, ohne Aufmerksamkeit zum Außenseiter zu werden. Der Clown nimmt in Kauf, sich lieber lächerlich zu machen, als unbeachtet zu bleiben.
Umgang: Schau genau hin, ob sein Verhalten gut für die Gruppe ist oder ob es stört. Dem Clown die Chance geben, sich mal von einer anderen Seite zu zeigen und sich ernsthaft in die Gruppe einzubringen. Wenn der Clown etwas Ernstes und Gutes tut, unterstütze es, damit er nicht nur für Späße Anerkennung bekommt. Wenn sein Verhalten zu sehr stört, dann suche ein Gespräch mit ihm allein und thematisiere seine Rolle.
Außenseiter:
Diese Person gehört gewollt oder ungewollt nicht richtig zur Gruppe. Sie geht ihren eigenen Weg und hat wenig Kontakt zu anderen Gruppenmitgliedern. Sie sucht Akzeptanz, welche die anderen ihr aber nicht gewähren. Deshalb steht sie außerhalb der Gruppe. Ein Außenseiter fühlt sich in seiner Rolle selten wohl, hat aber manchmal noch mehr Angst davor, ins „Rampenlicht“ zu treten und sich dabei eventuell zu blamieren.
Umgang: Richtige Außenseiter in die Gruppe zu integrieren, ist schwierig, wenn sich die Gruppe dagegenstellt. Deshalb ist es wichtig, schon in der Kennenlernphase zu beobachten, ob Tendenzen hin zu Außenseitern entstehen. Spiele und Aufgaben, bei denen Gruppenmitglieder in wechselnder Zusammensetzung etwas zusammen machen, schaffen viele Kontaktmöglichkeiten und können verhindern, dass jemand zum Außenseiter wird.
Nörgler:
Er ist nie mit etwas zufrieden. Man kann diesen Menschen kaum für eine Aktivität begeistern. Er versucht, das Haar in der Suppe zu finden und das Ganze mies zu machen, selbst wenn es allen anderen in der Gruppe gefällt. Positiv ist, dass diese Person ihre Meinung sagt, auch wenn diese kritisch ist. Sie ist kein „Ja-Sager“ und sieht sich als Kritiker. Allerdings kann sie auch allen den Spaß verderben.
Umgang: Bewahre die Ruhe und gehe auf die geäußerte Kritik ein. Denn du möchtest ja die Meinung deiner Gruppe wissen. Aber nimm die Kritik nicht persönlich und fange nicht an, dich zu rechtfertigen. Wenn dir die Nörgelei zu viel wird, sage der Person, dass dir ihre Meinung wichtig ist, bitte sie aber um konkretes Feedback. Alles schlecht machen, ist unproduktiv. Fordere den Nörgler zu sachlicher Kritik auf.
Vermittler:
Ihm ist der Gruppenzusammenhalt besonders wichtig. Ein Vermittler sieht seine Aufgabe darin, zwischen Meinungsmacher und Außenseiter, zwischen Gruppe und Gruppenleiter, aber auch bei sonstigen Konflikten zu vermitteln. Er hinterfragt das, was andere tun, und erwartet, dass sich alle vertragen. Der Vermittler ist Ansprechpartner für Probleme und hat meist einen guten Draht zur Gruppenleitung.
Umgang: Vermittler sind in Konflikten häufig hilfreich für Gruppenleiter. Schwierig ist es, wenn Meinungsverschiedenheiten in der Gruppe nur negativ gesehen werden. Ist der Vermittler übermäßig harmoniebedürftig, dann solltest du das ansprechen, ihm seine Rolle klar machen und verdeutlichen, dass Konflikte an sich nichts Negatives sind. Ein Vermittler muss verstehen, dass Auseinandersetzungen auch wertvoll sind und mit ihnen konstruktiv umgegangen werden soll.
Sündenbock (Schwarzes Schaf):
Ein Gruppenmitglied, das für alles Negative verantwortlich gemacht wird. Besonders schwierig ist es, wenn der Sündenbock dies noch unterstützt, weil es die einfachste Art ist, Aufmerksamkeit zu bekommen. Ein Sündenbock nimmt dann lieber alle Schuld freiwillig auf sich, bevor er von den anderen gar nicht beachtet wird.
Umgang: Wichtig ist, die Stärken des Sündenbocks herauszustellen und andere Wege zu finden, wie er in der Gruppe Anerkennung finden kann. Der Gruppe gegenüber sollte klar sein, dass nur der für etwas verantwortlich gemacht werden kann, der auch wirklich dafür verantwortlich ist. Wenn mal wieder dem Schwarzen Schaf die Schuld unterstellt wird, schalte dich ein und arbeite zusammen mit der Gruppe die wahren Ursachen aus.
Es gibt noch andere Rollen in Gruppen, aber die beschriebenen sind die häufigsten. Die soziale Rolle ist wichtig für ein Gruppenmitglied. Sie beschreibt die Position des Einzelnen in der Gruppe. Außerdem gibt sie Sicherheit, weil sie bestimmt, wie sich jemand zu verhalten hat. Kooperative Abenteuerspiele, wie sie oft in der Erlebnispädagogik angewendet werden, sind eine gute Methode, um Rollen in der Gruppe aufzuzeigen und gemeinsam zu reflektieren.
Allerdings sollten sich diese Rollen in der Gruppe nicht zu sehr verfestigen. Kinder- und Jugendgruppen können ein gutes Übungsfeld sein, wo der Einzelne die Möglichkeit hat, auch mal ein für ihn untypisches Verhalten auszuprobieren, also „in eine neue Rolle zu schlüpfen“. Das kann durch gut angeleitete Kooperationsspiele gefördert werden oder besser noch durch Rollenspiele. In einem Rollenspiel kann eine Person eine für sie ungewöhnliche Rolle spielen und dadurch erfahren, wie sich eine andere Person mit dieser Rolle fühlen muss. Dadurch können Gruppenmitglieder besser Verständnis füreinander aufbringen.